Die Zeit der Chemiebaukästen für Jugendliche ist
vorbei. Mit jedem Unfall in Deutschland wurde der betreffende Versuch global zum
Sicherheitsrisiko erklärt. Was jetzt mit bunten Bildern verkauft wird, ist „Crippelware“,
kastriertes Garnichts. Die amtlichen Sicherheitsauflagen führen seit Jahren zu
Stümperei am Gerät. Das Problem daran:
Irgendwer muss irgendwann imstande sein,
doch noch Chemie zu machen. Und da droht, was beim Schreibenlernen erforscht
ist: Hast du es bis etwa 18 nicht motorisch drauf, hapert es bei späteren
Lernversuchen.
Deutschen Schülern wird vor 18 keine Chance
gegeben, die für praktische Chemie notwendigen Reflexe und Aufmerksamkeiten zu
trainieren. Ich rede von Trainieren, nicht von einem Zuckerwatte-Tag pro
Schuljahr. Die Unfälle durch Dilletantismus bei Chemie-Studenten vervielfachen
sich.
Von einem Thema der riskanten Chemie, der
Silanforschung, weiß ich, dass es seit 2008 gar nicht mehr an deutschen Universitäten
betrieben wird - es ist mit Studenten dabei zu gefährlich. Die gewerblichen Firmen nun, die
uns weiter Silane liefern und an ihnen
herumbasteln, können lügen und kassieren. Es gibt keinen unabhängigen Chemiker
mehr, der ihnen Paroli bietet.
Als nichtbeamteter Chemielehrer für Gymnasien
gehöre ich zur Handvoll Ausnahmen in Deutschland, die es sich leisten können,
chemisches Handwerk für Jugendliche auf gymnasialem Niveau ohne bevormundende
Verpflichtung durch Ämter zu unterrichten.
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Zu angemessenem Unterricht
muss ich in Chemie nicht weiter gehen, als mein Referendar-Ausbilder Herr Mauch in Esslingen
im letzten Jahrtausend im Konsens mit den damaligen Regelungen ging. Das lief super. Ich bin die
seltene
Ausnahme eines Chemie-Lehrers, dem heutzutage keine Eltern auf das Dach steigen: In
der Erwachsenenbildung treffe ich auf lauter volljährige Menschen.
Auf diesen Seiten berichte ich von meinem
Chemie-Unterricht in einer langen Tradition seit Justus von Liebig (1853
explodierte ihm der Versuch "bellender Hund" direkt vor der bayrischen
Königsfamilie. Jaja, man überlebte mit viel Schrecken, aber keiner
ernstgenommenen Verletzung).
Die Verwaltung bewacht die Kleinen
und lässt die Großen laufen: Deshalb verzichte ich ab der Veröffentlichung
meiner Experimentiertage - vermutlich ab 2018 - auf weiteren praktischen
Chemieunterricht. Ich verzichte darauf, mir Angst vor Chemie machen zu lassen im
Stil des Jahres 2015 in Deutschland.
Wenn eine Firma mal wieder den ganzen Rhein
vergiftet, dann hattet ihr da keinen Einblick, nicht wahr, werte Ämter. Aber bei mir würdet ihr Kontroll-Eifer
zeigen: "Herr Mennel, unterlassen Sie diese schrecklichen Risiken. An diese
Reagenzien dürfen nur studierte Chemiker ran."
Ohne je einen Schüler durch
chemische Experimente verletzt zu haben, aber mit einer Handvoll Schülern, die
jetzt mit handwerklichem Vor-Training Chemie studieren, verabschiede ich mich
schrittweise aus dem Chemieunterricht
mit von Schülern durchgeführten Experimenten.
Christoph Mennel, Juni 2015
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