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Chemie lässt sich in zwei Schuljahren grundlegend unterrichten.
Danach schweifen wir umher.
  


    

Ein Schuljahr Einstieg mit Allgemeinem und dann anorganischer Chemie, ein Schuljahr organische Chemie. Ab da darf in Einzelheiten der Chemie herumgeschweift werden. Voraussetzung zum freien Herumschweifen, zu eigenen Versuchen ist ein komplettes Erlernen der chemischen Grundlagen in den ersten zwei Jahren.

Wer in den ersten zwei Jahren Chemie Stunden versäumt hat, wer da über Lücken stolpert, hat dauerhaft Anschlussprobleme. Chemie ist nach meinem Erleben ein "Kartenhausfach": Fehlen im Haus Karten, wackelt das ganze Gebäude. Das hat Chemie mit Mathematik gemeinsam, soweit ich es überblicke. Andere Fächer, ob Biologie oder Deutsch, sind eher "Schubladenfächer": Hast du was versäumt, taumelst du in einem Bereich. Doch wenn der nächste Bereich drankommt, kannst du wieder voll da sein.

Ich erwarte ja nun, dass die digitale Revolution nach allerlei Bluff durch Firmen, die uns Waren anpreisen, die sie alsbald schon wieder als "veraltet" bezeichnen, doch zu der möglichen wunderbaren Verbesserung des Schulunterrichtes führt. Keine Schule braucht heute mehr Computer anzuschaffen. Die gebrauchten Geräte, die aus den letzten zehn Jahren stammen, reichen. Keine Schule braucht heute mehr Geld für digitale Unterrichtsinhalte auszugeben. Wir Lehrerkollegen haben schrittweise gutes Material im Internet zur Verfügung gestellt. Keine Schule darf mehr Software von Microsoft oder Apple nutzen. Nur noch Linux-Basiertes und - mit Vorsicht, auf den Smartphones - Android.

Wer ausgebildet werden muss, sind die Lehrer. Die stehen doch vor dem Whiteboard und nutzen es nur wie die Tafel. Die kommen doch im Netzwerk, mit Software und Hardware nicht klar. Lehrer brauchen derzeit fünfmal mehr Ausbildung, Nachbesserung, motivierende Treffs, als ihnen geboten werden.

Und den Schülern wird genau ein Ding geschenkt, ein seit 2016 unerwartet früh ausreichend qualifiziertes Produkt: Künstliche Intelligenz, KI auf deutsch, AI auf amerikanisch. Jeder Schüler bekommt einen "Buddy", ein Wesen aus künstlicher Intelligenz, das ihn nett oder launisch, frech oder mild durch seine Schulzeit begleitet. Jeden Monat stellt der Schüler ein an seinem KI-Buddy: Bring mir keine Werbung. Erzähl mir nichts, was politisch ist. Erzähl mir nichts von Religion. Sei netter. Sei frecher. Oder eben: Dann bring doch mal Werbung. Was willst du mir denn politisch unterjubeln? Was soll mir denn Religion zu sagen haben?

Wesentlich aber ist das gemeinsame Durchwandern des Unterrichts: In jedem Fach geht es voran, mit dem Klassen-Level als Maßstab, mit der Möglichkeit für Talentierte, voran und drüber weg zu fliegen, mit der Aufforderung an Zurückhängende: Mach dir bitte jetzt die doppelte Arbeit. Und stetig: Erzähl mir nichts von deiner Familie, deinen persönlichen Beziehungen. Wir beide, die KI und du, haben nur schmal das Ziel gemeinsamen schulischen Lernens. Nach der Gesellenprüfung oder nach dem Grundstudium verabschiedet sich der KI-Buddy vom ehemaligen Schüler: Du bist jetzt klüger als ich. Mach´s gut!

Der KI-Buddy und alles, was durch die digitale Revolution an persönlichem Lernen rings um das gemeinsame Treffen und Streben in der Schulklasse möglich wird, sollte im deutschen Sprachraum einheitlich organisiert und abgesprochen werden. Von Wien bis Hamburg: Nicht mehr provinziell alles in zehn Variationen zerlegen! Jeder deutsch Sprechende soll überall sein Schülerdasein weiter führen können. Wir haben mit dem Aufstieg zum Lernen mit digitaler Hilfe die Chance, den Separatismus und mit ihm viel Bürokratie, viel isolierte Nebeneinander-Arbeit zu verringern.

Ich steuere hier in "Chemania" als Chemielehrer am Gymnasium meinen Beitrag zu solchem Verbessern des Unterrichtes bei. Schon als Referendar stellte ich den Chemie-Lehrplan beim Einstieg in die Chemie auf den Kopf: Den ersten Lehrerversuch zeigte ich erst, als er komplett erläutert werden konnte, nach etwa vier Doppelstunden Theorie zu Atombau und Bindungsfähigkeit der Atome. Das ging damals in Klasse 9, das geht auch schon in Klasse 8. Kein "Motivieren und Faszinieren beim Einstieg". Sowas leisten Computer-Abenteuerspiele besser. Mein Motto im Chemieunterricht ist das gleiche wie bei den Biologen: "Wir bieten euch keine Löwen. Schaut euch die im Zoo an. Wir befassen uns hier mit der Maus".

Chemie hier und Biologie da sind die beiden Fächer, die ich als Gymnasiallehrer an fünf Schulen in Baden-Württemberg unterrichtete, zwanzig Jahre lang. Seit der ersten Fortbildung (gemeinsam mit Kindern) im Bereich "Computernutzung in Schulen" 1998 habe ich dabei meine Passion gefunden. Jeder Schüler muss seine Vorträge in htm-Format abliefern - nicht .doc, nicht .ppt, nicht pipapo. Er muss seine eigene Homepage bauen können, und sie wächst im Lauf seines Lernens und ist bei Bedarf vorzeigbar im Internet. Gebt nur eigene Grafik, Fotos, Filme, also nichts mit fremden Urheberrechtsforderungen ins Internet. Stellt möglichst wenig Inhalte ein in vorgefertigte Internet-Angebote, die Werbung dazumischen. Also weist in Youtube, Facebook, Instagram und WasAuchImmer nur hin auf euer Angebot, aber gebt da keine ganzen Inhalte hin. Jeder Schüler sollte mit etwa 16 Jahren Zehn-Finger-Schreiben an der Tastatur lernen, als Kurs an der Schule - das halte ich für so wichtig wie das Erlernen des Alphabets mit 6.

Vieles bei mir tickt also anders, als es uns teuer seit immer schon die Firmen verkaufen. Die leerbleibenden Sprachlabore der Achtziger hätten uns belehren müssen. Bei Veränderungen neu einsetzende Ausbildung der Lehrkräfte, und nun ab 2017 individuelles Lernenkönnen der Schüler rings um einen gemeinsamen Klassenstand - dafür breche ich hier eine Lanze, mit schönen Mengen an Inhalten im htm-Format. Wandert, blättert, lasst euch anregen.

Christoph Mennel im Mai 2017