Das Erſte Capitel.
Wie
das Saltz aus dem Pülverlein/ Rochetta/ und aus
der Soda Hiſpanica
auszuziehen/ vermittelſt welches
die Fritta Cryſtalli/ von
den Jtalienern Bollito
ge-
nannt/ zubereitet wird/ als darinnen das
fundament
der gantzen Glasmacher-Kunſt beſtehet/ mit einer
gantz neuen und geheimen Manier.
DAs Pülverlein
oder Rochetta/ welches aus Orient von Syrien
und Levante kommet/ iſt die Aſche eines gewiſſen Krautes/ ſo all-
da häuffig wächſt/ dieſe Aſche giebet ohne Zweifel ein viel weiſ-
ſer Saltz als die Spaniſche Soda: So man derowegen ein ſchönes
und vollkommenes Cryſtall verfertigen will/ muß ſolches geſchehen mit
dem extrahirten Saltz/ aus der oberwehnten
Levantiſchen Rochetta:
Denn ob wol die Spaniſche Soda Saltzreicher/ ſo kommet doch das
Cryſtall/ mit dieſen Saltz bereitet/ allezeit etwas blaulicht/ und hat keine
ſo ſchöne Farbe und weiſſen Glantz/ gleich dieſem Cryſtall/ welcher aus
den Levantiſchen Pülverlein Rochetta iſt bereitet worden.
Die Manier aber das Saltz ſo wohl aus
der Rochetta/ als Soda
vollkommlich zu extrahiren/ iſt dieſe nachfolgende/
welche ich auch zum
öfftern verſuchet:
Nachdem dieſe Syriſche Aſche/ in einem
Stein-Mörſel/ mit ei-
nem eiſeren Stämpel zerſtoſſen worden/ muß ſie durch ein enges Sieb/
damit nur die bloſſe Aſche/ ohne die gröblichten Stücklein durchfalle/
geſchlagen werden/ ſintemal hierinnen die Kunſt viel oder wenig Saltz
zuüberkommen/ beſtehet.
Bey Einkauffung dieſer oder der andern
Sorten/ iſt dieſes in acht
zu nehmen/ daß man das jenige erwehle/ welches am Saltzreichſten iſt/ wel-
ches mit der Zung uñ den Geſchmack geprüfet und erkañt wird; unter al-
len aber iſt der ſicherſte Weg dieſer/ daß man es meinen Schmeltz-Tigel
probire/ und ſehe/ ob es mehr Sand oder Tarſi hat/
als welches unter die
Lehrſtücke dieſer Kunſt gehörig/ und denen Glasblaſern ſehr wohl be-
kannt iſt.
Ferner ſollen unterſchiedene aus
Glockenſpeiß gegoſſene Keſſel/
mit ihren unterbauten Oefen/ nach der Art wie es die Färber haben/
bey Handen ſeyn/ und ſolche entweder gröſſer oder kleiner/ je nach dem
man viel oder wenig Saltz bereiten und extrahiren
will: Dieſe Keſſel
werden mit friſchen Waſſer angefüllet/ und alsdann ein Feuer vom
dürren Holtz/ welches nicht ſehr rauchet/ untergeſchieret/ wann nun
das Waſſer wol auffzuſieden hat angehoben/ ſo werffe man einen Theil
des geſiebten Aſchen-Pulvers hinein/ und zwar ſo viel/ als die Menge
des Waſſers zu erfordern ſcheinet; das Feuer hält man immer fort/
biß durch ſtetiges Kochen/ der dritte Theil des Waſſers verrauchet ſey;
in wehrender Kochungs-Zeit aber/ muß es auff den Boden des Keſ-
ſels mit einen Rührſcheit/ immerzu umbgerühret werden; damit das
hineingeſchüttete Pulver dem Waſſer ſich einverleibet/ und das darin-
nen enthaltene Saltz/ vom Waſſer ausgezogen werde: Nach dieſem
füllet man die Keſſel wiederumb mit friſchen Waſſer/ und läſſet es alſo
ſiedend biß zur Helffte abrauchen/ ſo wird die Lauge ſaltzicht genug und
fertig ſeyn.
Will man aber ein noch weiſſer und
häuffiger Saltz erhalten/ ſo
wirfft man in ſiedende Waſſer des Keſſels/ vor dem Zuſatz des Pulvers/
10. Pfund rothen und biß zur Schwärtze gebrandten Weinſtein/ läſſet
ſolchen darinn zergehen/ rühret es mit einen Holtz wohl herumb/ und
ſchüttet alsdann/ das bewuſte Pulver darzu hinnein: dieſe Manier den
Weinſtein zuzuſetzen iſt noch geheim/ vermittelſt welcher man mehrers
Saltz bekommet/ und wird auch das Cryſtall ſchöner und weiſſer.
Wann zwey dritteltheil des Waſſers
verkochet/ und die Lauge
ſtarck vom Saltz worden/ ſo wird das Feuer gemindert/ und werden un-
terſchiedliche neue/ und irrdene Geſchirre/ (ſo vorhero 6. Tag lang mit gemeinen
Waſſer angefüllet geweſen/ damit ſie deſto weniger Lauge und
Saltz in ſich ziehen) nach der Reihe hingeſetzet; alsdann wird die Lau-
ge ſamt der Aſche aus den Kefſeln/ mit groſſen eiſern Löffeln/ in dieſe irr-
dene Geſchirre gegoſſen/ und wann ſie voll/ läſſet mans 2. Tage ſtehen/
wann ſolche Zeit verfloſſen/ und ſich die Aſchen auff den Boden geſetzet
hat/ ſo wird all die lautere Laugen gemählich (damit nichts unreines vom
Grunde auffſteige/ und die Lauge trüb mache) mit küpffern Löffeln/ in
andere Geſchirre übergegoſſen/ und abermal 2. Tage dahin geſtellet/ da-
mit ſich die übrige irrdiſche Unreinigkeit gar ſetze/ und die Lauge deſto
klä-
rer und lauterer werde/ ſolches wird zum dritten mal wiederholet/ ſo wird
die Lauge hell und klar/ auch von aller Unreinigkeit abgeſchieden ſeyn; aus
dieſer wird hernach ein reines und vollkommenes Saltz bereitet.
Die Keſſel werden nun wiederumb auffs
neue mit Waſſer ange-
füllet/ und wird/ wie oberwehnet/ in einem jeden/ 10. Pfund Weinſtein/
ſam̃t der gewöhnlichen Qvantität der geſiebten Aſchen oder des Pülver-
leins gethan/ und auff ſolche Weiſe das Werck fortgeführet/ ſo lang
man noch etwas von der geſiebten Aſchen übrig hat.
Damit nun aus der oben-bereiteten Laugen
das Saltz gebracht
werde; ſo wäſchet man erſtlich den Keſſel mit reinen Waſſer ſauber
aus/ alsdeñ wird ſolcher mit der klarẽ Laugẽ voll gefüllet/ ſolche läſſet
man/
wie oben gedacht/ gelinde kochen/ jedoch ſo/ daß man den Keſſel allezeit
mit Lauge nach fülle/ biß es beginnet dick zuwerden/ und das Saltz auffzu-
werffẽ/ welches ungefehr nach Verflieſſung 24. Stundẽ/ zugeſchehen pfle-
get: in dem alsdeñ auff der obern Flache des Keſſels/ das weiſſe Saltz/
gleich
einem Netz erſcheinet/ darnach nimmt man/ mit einen löcherichten Rühr-
Löffel oder Durchſchlag das auff den Boden gefallene Saltz/ nach und
nach aus dem Keſſel/ läſſet die Laugen abtropffen oder durchſeichen/ und
thut das Saltz in irdene und löcherichte Gefäß/ damit es ſchleiniger trock-
nen und die Laugen abrinnen kan/ welches abgeronnene wiederum in den
Keſſel gethan wird: Und auff ſolche Weiſe fähret man ſo lang fort/ biß daß
alles Saltz iſt herausgenommen worden.
Es iſt aber zu mercken/ daß man das
Feuer/ ſo bald ſich das Saltz
ereignet/ etwas mindere; denn ſo man mit ſtarcken Feuer fort führe/
ſo würde ſich das Saltz ſehr heiß an den Keſſel legen; und weil es ein ſehr
ſtarckes Saltz iſt/ den Keſſel verderben;
dergleichen mir etliche mahl
widerfahren iſt; iſt derowegen ſolches wohl in acht zunehmen/ und
Fleiß hier anzuwenden: Das Saltz/ wann es wohl abgeſiegen/ nimmt
mans auß den Gefäſſen/ und verwahret ſolches in einer Schachtel oder
höltzerem Käſtlein; damit deſto beſſer alle Feuchtigkeit davon verzehret
werde; welches erſt nach etlichen Tagen/ und nach dem die Zeit des
Jahrs iſt/ eher oder langſamer zu geſchehen pfleget. Die gantze Kunſt
aber ein ſchönes Saltz zu bereiten/ iſt/ wie wir oben angemercket haben/
an den Weinſtein gelegen: Jch habe gemeiniglich aus 300. Pfund der
Levantiſchen Aſchen/ 80. biß 90. Pfund Saltz bekommen.
Wann nun das Saltz wohl getrocknet/ ſo
wird es gröblich zer-
brochen/ in den Calcinier- oder Aſch-Oefen/ bey gelinder Hitze ferner ge-
dörret/ und mit einem eiſernen Jnſtrument oder Rührhacken/ oder
gleich wie die Fritta, durch einander gerühret;
demnach alſo das
Saltz in einen mäſſigen warmen Ofen alle Feuchtigkeit verlohren/
wird ſolches heraus genommen/ in einen ſteinern Mörſel zerſtoſſen/ und
durch ein ſo enges Sieb geſchlagen/ daß die durchgefallene Saltzkör-
ner/ nicht gröſſer als ein Gedräyt-Korn/ ſind; dieſes alſo zerſtoſſene/ ge-
ſiebte und getrocknete Saltz/ wird an einem Ort/ vom Staub entfer-
net/ abſonderlich auffbehalten; damit die Fritta Cryſtalli,
auff nechſt fol-
gende Weiſe daraus verfertiget werde.
... da folgt dann das
zweite Kapitel, diese "Fritta
Cryſtalli" herzustellen:
http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/kunckel_glasmacher_1679?p=39 |
Obige Startseite des
Buches im "Klartext":
JOHANNIS KUNCKELII,
Churfürſtl. Brandenb. würcklichbeſtallt-geheimden Cammer-Dieners/
ARS VITRARIA EXPERIMENTALIS,
Oder
Vollkommene
Glasmacher-Kunſt/
Lehrende/ als
in einem/ aus unbetrüglicher Erfahrung herflieſſendem
COMMENTARIO,
über die von dergleichen Arbeit beſchriebenen
Sieben Bücher
P. ANTHONII NERI,
von Florentz/
und denen darüber gethanen gelehrten Anmerckungen
CHRISTOPHORI MERRETTI, M. D. & Societ. Reg. Brittann. Socii,
(ſo aus den Jtal und Latein. beyde mit Fleiß ins Hochdeutſche überſetzt)
Die
allerkurtz-bündigſten Manieren/ das reineſte Chryſtall-Glas;
alle gefärbte oder tingirte Gläſer; künſtliche Edelſtein oder Flüſſe;
Amauſen/
oder Schmeltze; Doubleten; Spiegeln/ das Tropff-Glas; die ſchönſte
Ultra-
marin, Lacc- und andere nützliche Mahler-Farben; Jngleichen wie die
Saltze zu
den allerreineſten Chryſtallinen Gut/ nach der beſten Weiſe an allen Orten
Deutſchlands mit geringer Müh und Unkoſten copieus
und compendieus zu machen/ auch wie das Glas zu
mehrer Perfection und
Härte zu bringen. Nebſt ausführlicher Erklärung aller zur Glaskunſt
gehörigen Materialien und
ingredientien; ſonderlich der
Zaffera und magneſia etc. Anzeigung der
nöthigſten Kunſt- und Handgrieffe; dienlichſten
Inſtrumenta; beqvemſten Gefäſſe/ auch nebſt
andern/ meinen ſonderbaren Ofen/ und dergleichen mehr/ nützlichen in Kupf-
fergeſtochenen Figuren.
Samt einem
II.
Haupt-Theil/
So in drey unterſchiedenen Büchern/ und mehr als 200.
Experimenten beſtehet/
darinnen vom Glasmahlen/ Vergulden und Brennen; Vom
Holländiſchen Kunſt- und Barcellan-Töpfferwerck; Vom kleinen Glasblaſen
mit der Lampen; Von einer Glas-Flaſchen-Forme/ die
ſich viel 1000. mal verändern läſſet; Wie Kräuter und Blumen in
Silber abzugieſſen; Gypß zu tractirn; Rare Spiec- und Lacc-Fürniſſe;
Türckiſch Pappier: etc.
Jtem der vortreffliche Nürnb.
Gold-Strau-Glantz; und viel andere ungemeine
Sachen zu machen/ gelehret werden/ mit einem
Anhange von denen Perlen und faſt allen natürlichen
Edelſteinen; Wobey auch in gewiſſen Tabellen
eigentlich zu ſehen/ wie ſich die köſtlichſten derſelben nach dem Gewicht
an ihren Preiß verhöhen/ und einen vollſtändigen
Regiſter.
Mit Röm. Käyſ. M. und Churfl. Sächſ. D.
allergnädigſt/ und gnädigſt ertheilten Freyheit.
Franckfurt und
Leipzig/
Auff Koſten des Autoris/ bey Johann Bielcke/ Buchführern in Jena/ zu finden.
Leipzig/ gedruckt bey Chriſtoph Günthern/ 1679. |