Der Todesengel Nummer Eins im
Chemiestudium sind mittlerweile die
Sicherheitsmaßnahmen während der Schulzeit davor. Also man kommt in der Schule
kaum noch an Sauerstoff und Wasserstoff heran, so sicher sind diese Gase
aufbewahrt. Der Lehrer verzichtet in der Stunde auf das Bereitstellen von sicheren
Gruppen-Groß-Versuchen, weil nach Einhalten aller Sicherheitsmaßnahmen die
Stunde vor Beginn des Versuches zuende ist.
Die daraus resultierenden Todesursachen für die wenigen, die nach so sicherem
Chemieunterricht noch das Fach studieren, liegen auf der Hand: Sie werden im
Chemiestudium auf Gifte losgelassen und durften in ihrer vorherigen Jugend
in der Gefahrenzone keinen Schritt tun. Sie haben aus der Schule heraus keine Reflexe
beim Hantieren. Sie haben in der Schule nur zugehört und weggehört.
Der typische
heutige Chemiestudent hat in der Jugend illegal außerhalb der Schule mit dem Gerät
hantiert. In der Schule lief nichts mehr. Wer beim Studium keine heimlich
erworbene praktische Routine hat, der
stirbt schneller. Na toll.
Die Schüler in meinem Kurs "Organische Chemie" hatten vielleicht praktische
Übung aus ihrem Haushalt. Ein Reagenzglas aber gelangte nun zum erstenmal in
ihre Hand.
Und ich beließ es nicht beim Reagenzglas. Geradeaus gingen wir auf das
"Abenteuer Chemie" los. In jedem Kurs gab es eine "Explosionsgruppe". Es gab
keinen "Lehrerversuch wegen zu großer Gefahr". Es gab nur Schülerversuche.
Ich wies hin auf die Gefahren und die erforderlichen Maßnahmen. Ich bot
einen Abenteuerspielplatz, aber es war eben kein Spiel.
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Wird deutlich, wie einmalig in bestimmten Momenten das
hier gezeigte bundesweit ist? Eine radikalische Bromierung, verantwortungsvoll
vorgeführt von einer Schülerin? Silberacetylid, wegen großer Nachfrage in beiden
Praktikumsgruppen von je drei Jungs hergestellt, nicht einmal erwähnt in
Schul-Experimentier-Büchern?
Die praktische Chemie ist eine Gefahrenwelt. Von vierzig
Chemie-Neu-Studenten erlitten zwei im ersten Semester meines Chemiestudiums
lebensgefährliche Verletzungen wegen unglaublicher Dummheiten: In einen Kochtopf
senkrecht von oben hineinschauen, ob es denn dort kocht (es kochte genau da
über), und an einem Gasschlauch
direkt riechen, ob da Schwefelwasserstoff herauskommt (lebenslange
Lungenschäden).
Bitte: Lasst chemie-interessierte Jugendliche in kleinen Gruppen schon mal vor dem Studium an die Substanz heran. Ja,
ich weiß, die Eltern, die Eltern...
Eltern eben hatte ich nicht am Hals bei meinem Blockkurs. Ich unterrichte in der
Erwachsenenbildung. Was auf diesen Seiten munter und solide daherkommt, halte
ich in
einigen Facetten für einmalig. Es hat mir und meinen Schülern sichtlich Freude
gemacht, und wir haben es überlebt. Andere mögen bergsteigen, motorradfahren und
boxen. Wir bewegten uns in einem vergleichbar gefährlichen, aber
wissenschaftlich und gesellschaftlich nützlichen Terrain: In der praktischen
Chemie.
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